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SEIKA-NRW (Sprachbildung und Entwicklung im Kita-Alltag)

Förderung der Studie an der RUB/CFR: Oktober 2015 bis Dezember 2018 durch das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW (MKFFI).
Förderung der Datenpublikation (Erstellung eines Scientific Use Files): Juni 2019 – Juni 2020.

Übergeordnetes Ziel: Evaluation der in Nordrhein-Westfalen unternommenen Anstrengungen zur Implementierung der alltagsintegrierten Sprachbildung im Elementarbereich und die Erforschung der Wirksamkeit frühen Sprachbildung.

Projektpartner: In der Verantwortung unseres Kooperationspartners, dem Deutschen Jugendinstitut (dji), war das Modul I („Der Weg des Geldes“). Die Auswertung der Daten wird seit Januar 2019 am dji in einer Projektphase II durch das MKFFI weitergefördert. https://www.dji.de/ueber-uns/projekte/projekte/sprachbildung-und-entwicklung-im-kita-alltag-seika-nrw.html

Die Arbeitsgruppe Child and Family Research/ Familienforschung (CFR) an der Ruhr-Uni Bochum war für die Module 2 (Feststellung des Förderbedarfs) und 3 (Längsschnittstudie zur Sprachbildung) verantwortlich, das MKFFI hat die Datenpublikation an der RUB gefördert (abgeschlossen).

Zentrale Fragestellung der an der RUB betreuten Module 2 und 3:
Führt eine zusätzliche Förderung der Kitas zu einer Verbesserung der sprachlichen Kompetenzen der Kinder?

Team am CFR:
Prof. Dr. Birgit Leyendecker, Dr. Alexandru Agache, Dr. Jessica Willard, Dr. Katharina Kohl, Dr. Lilly Bihler,
Organisation der Datenerhebung: Yasemin Cigtay-Akar, Administration der Studie: Helga Pistorius

Datenpublikation: Prof. Dr. Birgit Leyendecker, Dr. Lilly Bihler, Dr. Alexandru Agache

Untersuchungszeitraum: Drei Erhebungswellen (2016, 2017 und 2018).

Die Ergebnisse unserer Datenerhebungen auf den Punkt gebracht: Was wissen wir jetzt mehr über Sprachförderung in den Kitas?

  • Eine gute Betreuung wirkt – die stärksten Effekte werden bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern erreicht
  • Sowohl eine emotional gute Betreuung als auch eine lernunterstützende, anregende Betreuung fördert die Entwicklung von Sprachkompetenzen. Dies bedeutet, dass eine warme gute Betreuung in einer Kitagruppe eine Atmosphäre schafft, die es Kindern erleichtert, sprachliche Anregungen aufzunehmen.
  • Ein früher Start in die Kita erleichtert mehrsprachig aufwachsenden Kindern das Erlernen der deutschen Sprache
  • Viele Situationen im Alltag einer Kita, wie beispielsweise das gemeinsame Essen, werden kaum zur Sprachförderung genutzt.
  • Zusammensetzung der Kitagruppen:
    • Wenn der Anteil mehrsprachiger Kinder in einer Gruppe sehr hoch ist, bedeutet das in der Regel nicht, dass das einzelne Kind geringere deutsche Sprachkenntnisse hat – es sei denn, es besucht eine Gruppe mit sehr niedriger Betreuungsqualität
    • Wenn der Anteil armutsgefährdeter (ein- oder mehrsprachig aufwachsender) Kinder in einer Kitagruppe sehr hoch ist, ist eine sehr gute Betreuung für die Entwicklung der Sprachkompetenzen der Kinder besonders wichtig.
  • Bei jedem zweiten Kind, dessen Testergebnisse darauf hinweisen, dass es zusätzliche Sprachförderung für einen erfolgreichen Übergang in die Schule braucht, wird dies von den Fachkräften nicht erkannt.

Fazit: Ungleiches ungleich behandeln ist der richtige Ansatz – je mehr armutsgefährdete Kinder oder Kinder aus zugewanderten Familien eine Kita besuchen, desto entscheidender ist es, dass sie dort auf engagierte pädagogische Fachkräfte stoßen und sowohl eine gute emotionale Betreuung als auch eine gute Lernunterstützung erhalten. Da der Sprachförderbedarf einzelner Kinder häufig unterschätzt wird, sind zusätzliche Testungen notwendig, um diese Kinder zu identifizieren und schon früh gezielt zu fördern.

  • Auswahl von Kitas, die sich von allen feststellbaren, verfügbaren Rahmenbedingungen her nicht unterscheiden, von denen jedoch ein Drittel keine zusätzliche Förderung bekommt (Kontrollgruppe), ein Drittel erhält einen Zuschuss für zusätzliche Sprachförderung (Förderlinie Sprachförderkita) und ein weiteres Drittel erhält eine Förderung als plusKITA sowie noch einen Zuschuss für zusätzliche Sprachförderung (Förderlinie plusKITA mit Sprachförderung).
  • Hierzu wurden aus den fast 10.000 Kitas in NRW jeweils Triplets identifiziert, die auf die drei Gruppen verteilt waren und die unter sich maximal ähnlich waren. Damit wurde sichergestellt, dass es zwischen den drei Gruppen keine Unterschiede auf wichtigen sozialräumlichen und strukturellen Merkmalen gab. Die ausgewählten Kitas sind über ganz NRW verteilt.
  • Dieses Vorgehen entspricht forschungsmethodisch einem quasi-experimentellen Design und erlaubt die Untersuchung der Fragestellung, ob – bei ansonsten möglichst gleichen Rahmenbedingungen – unterschiedliche Formen von finanzieller Förderung zu einer Verbesserung kindlicher Sprachkompetenzen führen.
  • Die Gesamtheit der 95 an der SEIKA-NRW Studie teilnehmenden Kitas waren repräsentativ für NRW.
  • In jeweils 2 oder 3 Gruppen pro Kita wurden von
    • insgesamt 2.300 zufällig ausgewählten Kindern zwischen 2,5 und 6 Jahren der Wortschatz (Querschnitt, Modul 2),
      von rund 900 Kindern zwischen 2,5 und 4 Jahren zusätzlich die Grammatikkenntnisse, das „Phonologische Gedächtnis für Nichtwörter“ sowie ein kognitiver Test (Figurenlegen) erhoben,
    • von diesen 900 Kindern wurden von 2/3 detaillierte Informationen in allen drei Jahren von den Eltern und pädagogischen Fachkräften erhoben, die Kinder jedes Jahr erneut getestet (Längsschnitt, Modul 3),
    • zusätzlich wurden 2017 noch 304 Kinder und 2018 noch 73 Kinder, die erst später in die Kita gekommen sind, mitaufgenommen. Da zugewanderte Kinder häufig erst später in die Kita kommen, erhöhte sich der Prozentsatz der zugewanderten Kinder von 37% in Welle 1 auf 44% in Welle 3.
    • In allen beteiligten Kitagruppen wurden in jedem Jahr mit dem Verfahren CLASS-PreK die Betreuungsqualität erhoben.

 

Referenz:

Beschreibung der Stichprobenauswahl für das quasi-experimentelles Design:

  • Bihler, L.-M., Agache, A., Willard, J. & Leyendecker, B. (2021). Sprachbildung und -entwicklung im Kita-Alltag in Nordrhein-Westfalen (SEIKA-NRW) (Längsschnitt, Version 1,  Datensatz. Berlin: IQB – Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen. http://doi.org./10.5159/IQB_SEIKA-NRW_LS_v1

  • Bihler L.-M., Agache A., Willard J.A., Kohl K., Leyendecker B. (2020). Propensity Score Matching als ein Verfahren zur Stichprobenauswahl. Darstellung der Eignung für die Auswahl von drei Gruppen. In: Blatter K., Groth K., Hasselhorn M. (Eds.) Evidenzbasierte Überprüfung von Sprachförderkonzepten im Elementarbereich. Edition ZfE, Vol 6. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-26438-3_4

  • Bihler, L.M., Agache, A., Willard, J., Kohl, K., & Leyendecker, B. (2020). Propensity Score matching as a procedure for sampling selection. Illustrating the utility for selecting three groups. Zeitschrift für Erziehungswissenschaften, 77-99.

Einsatz des Verfahrens CLASS in der SEIKA-NRW Studie:

  • Bihler, L., Agache, A., & Leyendecker, B. (2018). Factor analysis of the Classroom Assessment Scoring System replicates the three domain structure and reveals no support for the bifactorial model in German preschools. Frontiers in Psychology, Educational Psychology. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2018.01232

Die Daten sind als Scientific Use File verfügbar:

  • Modul 2 (Querschnitt): Agache, A., Bihler, L.-M., Willard, J. & Leyendecker, B. (2020). Sprachbildung und -entwicklung im Kita-Alltag in Nordrhein-Westfalen (SEIKA-NRW) (Version 1) [Datensatz]. Berlin: IQB – Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen. http://doi.org/10.5159/IQB_SEIKA-NRW_v1 
  • Modul 3 (Längsschnitt): Bihler, L.-M., Agache, A., Willard, J. & Leyendecker, B. (2020). Sprachbildung und -entwicklung im Kita-Alltag in Nordrhein-Westfalen (SEIKA-NRW) (Längsschnitt) [Datensatz]. Berlin: IQB – Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen.
  • Zusammenhang mit finanzieller Förderung: Wir wollten überprüfen, ob eine zusätzliche finanzielle Förderung zu einer qualitativ besseren Betreuung der Kinder insbesondere im Hinblick auf eine Verbesserung der kindlichen Sprachkompetenzen führt. Hierzu fanden wir bislang keine schlüssigen Ergebnisse – wir vermuten, dass es länger dauert, bis eine finanzielle Förderung wirkt und beispielsweise alle pädagogischen Fachkräfte ausreichend geschult sind. Die Fortbildungsprogramme, an denen die pädagogischen Fachkräfte teilnahmen, waren sehr unterschiedlich und auch über die Jahre hinweg nicht vergleichbar. Es gab eine erhebliche Varianz darin, wer an Fortbildungen teilnahm, wie oft, wie intensiv etc.
  • Personal-Kind Schlüssel: In der ersten Erhebungswelle fanden wir einen Zusammenhang zwischen der Organisation des Gruppengeschehens und dem Personal-Kind Schlüssel – je günstiger der Personal-Kind Schlüssel, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass das Gruppengeschehen gut organisiert war. Dies konnten wir jedoch für die Wellen 2 und 3 nicht replizieren. Insgesamt fanden wir keinen Hinweis darauf, dass der Personal-Kind Schlüssel die Qualität der Betreuung verbessert. Dies lässt jedoch keinesfalls den Umkehrschluss zu, dass eine Verschlechterung des Personal-Kind Schlüssel keine negativen Auswirkungen auf die Betreuungsqualität hätte. Innerhalb jeder Förderlinie variierte der Personal-Kind Schlüssel erheblich und zeigte eine geringe Stabilität über die Zeit. Wenn in den PlusKitas, die die besten zusätzlichen finanziellen Ressourcen bekommen, das Geld vorzugsweise für Personal verwendet hätten, hätte man hier deutliche Effekte i.S. von Unterschieden zwischen den Förderlinien erwartet. Diesen systematischen Zusammenhang konnten wir jedoch nicht für die von uns untersuchten Kitas nachweisen.
  • Betreuungsqualität wirkt: Unabhängig von der finanziellen Förderung der Kitas zeigen sich positive Zusammenhänge zwischen der Betreuungsqualität und der Entwicklung kindlicher Sprachkompetenzen. In den folgenden Beiträgen wird aber auch deutlich, dass es gerade im Bereich der Sprachanregung noch „Luft nach oben“ gibt. Im Folgenden geben wir zunächst einen Überblick über die Betreuungsqualität und berichten danach über Auswertungen, bei denen die Betreuungsqualität auf unterschiedliche Art und Weise berücksichtigt wurde.

Wir haben in den drei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils die Interaktionsqualität in den Kitagruppen mit dem Instrument CLASS-PreK erfasst. Das Instrument bildet die Interaktionsqualität anhand von drei Domänen ab: (1) emotionale Unterstützung, (2) Organisation des Gruppengeschehens und (3) Lernunterstützung. In der folgenden Grafik sind die beobachteten Domänen-Werte aus mehreren deutschen Studien abgebildet. Die dunkelblauen Dreiecke spiegeln die SEIKA-NRW-Daten aus dem Jahr 2016 wider, während die grünen Kreise auf andere deutsche Datenquellen zurückgehen. Die Grafik zeigt, dass sich die SEIKA-NRW Werte nicht systematisch von den beobachteten Werten anderer deutscher Studien unterscheiden. Die Werte für die Organisation des Gruppengeschehens unterscheiden sich jedoch relativ stärker zwischen den deutschen Studien.

In der folgenden Grafik sind die CLASS Pre-K Domänen-Werte aus SEIKA-NRW denen aus der einzigen uns bekannten finnischen Studie sowie einer US-amerikanischen Studie mit einer großen Stichprobe gegenübergestellt. Hier zeigen sich für unsere deutsche Stichprobe vergleichsweise hohe Werte für die emotionale Unterstützung und vergleichsweise niedrigere Werte für die Organisation des Gruppengeschehens. Die Werte für die Lernunterstützung sind mit den US-amerikanischen Werten vergleichbar, während die finnischen Werte stark positiv abweichen.

Eltern werden manchmal durch Meldungen verunsichert, dass eine frühe außerfamiliäre Betreuung ihren Kindern langfristig schadet. Viele Ergebnisse beruhen auf der sogenannten NICHD Studie, die in den 90er Jahren in den USA durchgeführt wurde. Hier zeigten sich Vorteile für die sprachliche und kognitive Entwicklung, jedoch teilweise negative Ergebnisse im Hinblick auf die sozial-emotionale Entwicklung der Kinder, insbesondere bei sehr jungen Kindern mit sehr hoher Betreuungszeit. Wie sieht das aus in Deutschland, wo mittlerweile mehr als ein Drittel der Ein- und Zweijährigen eine Kita besuchen – schadet dies ihrer sozial-emotionalen Entwicklung? Gibt es einen Zusammenhang zwischen sozial-emotionaler Entwicklung und der Anzahl der Stunden, die die Kinder in der Kita verbringen sowie der Qualität der Betreuung?

Weitgehend Entwarnung – mehrheitlich ist die Betreuung gut bis sehr gut

In der Studie SEIKA-NRW haben wir 400 zwei- bis dreijährige Kinder untersucht. Da nur selten Kinder unter einem Jahr in die Kita kommen, können für diese Kinder keine Aussagen gemacht werden. Für Kinder, die nach ihrem ersten Lebensjahr in die Kita kommen, kann die Arbeitsgruppe weitestgehend Entwarnung geben. In der überwiegenden Mehrheit der teilnehmenden 146 Kitagruppen zeigten die pädagogischen Fachkräfte eine gute bis sehr gute emotionale Betreuung der Kinder und es gab keinen Hinweis darauf, dass ein früher Eintritt in die Kita oder hohe Betreuungsstunden einen Risikofaktor darstellen.

Einschränkend fanden wir aber unter ganz bestimmten Umständen, genauer gesagt bei einer Kombination von mehreren ungünstigen Faktoren, Hinweise auf mehr Verhaltensauffälligkeiten und mehr hyperaktives Verhalten. Solche Umstände waren beispielsweise die Kombination eines ungünstigen Personal-Kind Schlüssels und eine sehr hohe Anzahl von Stunden pro Woche, die ein Kind in der Einrichtung verbrachte.

Fazit der Autor*innen der Studie:

  • Es gibt keinen Grund, sich vor massiven negativen Auswirkungen des Kitabesuchs von ein- und zweijährigen Kindern zu fürchten.
  • Anders als in den USA ist die Ausbildung der pädagogischen Fachkräfte reguliert.
  • Auch wenn es in manchen Bereichen noch Luft nach oben gibt (z.B. Sprachförderung, kognitive Anregung), so ist doch gerade die emotionale Betreuung der Kinder gut bis sehr gut.

Referenz:

  • K. Kohl, L.M. Bihler, J. A. Willard, A. & B. Leyendecker (2019): Linking Quantity and Quality of Early Childhood Education and Care to Children’s Socio-Emotional Adjustment: A German Cross-Sectional Study. EARLY EDUCATION AND DEVELOPMENT https://doi.org/10.1080/10409289.2019.1650543

Fragestellung

Sprache gilt als Schlüssel zur Welt. Gute Sprachkompetenzen junger Kinder in der jeweiligen Landessprache hängen eng mit ihrem späteren Schulerfolg zusammen. Deshalb ist es insbesondere für Kinder, die in Deutschland mit einer anderen Familiensprache als Deutsch aufwachsen, wichtig, schon früh gute Deutschkompetenzen zu erwerben. Neben dem Wortschatz sind die Grammatikkenntnisse der Kinder ein wichtiger Indikator hierfür.
Im Rahmen der SEIKA-NRW Studie haben wir 835 Kleinkinder, die auf 169 Kitagruppen verteilt waren, untersucht. Die Kinder waren zwischen 30 und 47 Monate alt. Ziel war herauszufinden, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Qualität der Lernunterstützung und den Fähigkeiten der Kinder, den korrekten Plural zu bilden – einem zentralen Indikator für das frühe Verständnis von Grammatik.

Hohe Qualität der Lernunterstützung ist entscheidend

Wie zu erwarten ist der Erwerb von Regeln zur deutschen Pluralbildung bei Kindern mit deutscher Familiensprache weiter fortgeschritten als bei Kindern, die in ihrer Familie eine andere Sprache als Deutsch hören (mehrsprachige Kinder). Entscheidend ist jedoch, dass sich bei den mehrsprachigen Kindern deutliche Effekte einer hohen Qualität der Lernunterstützung durch die Kita zeigen. So fällt der Unterschied in den Kenntnissen zur Pluralbildung zwischen den beiden Sprachgruppen in Kitagruppen mit einer hohen Qualität der Lernunterstützung wesentlich geringer aus als in Kitagruppen mit einer niedrigen Qualität.

Welche weiteren Einflussfaktoren gibt es?

Haben die Kita-Besuchsdauer, der Erzieher-Kind Schlüssel oder der Anteil mehrsprachiger Kinder in der Gruppe einen Einfluss auf die Grammatikkenntnisse? Hier zeigt sich, dass die Besuchsdauer sowohl für rein deutschsprachige als auch für mehrsprachige Kinder einen leicht positiven Effekt hat. Ein Kind, das die Kita schon lange besucht (also schon früh in die Kita gekommen ist), zeigt im Durchschnitt einen höheren Wissensstand in der Pluralbildung als ein Kind, das die Kita erst kurz besucht. Für den Erzieher-Kind Schlüssel und den Anteil mehrsprachiger Kinder in der Gruppe zeigten sich keine direkten Zusammenhänge.

Was ist Lernunterstützung und warum ist sie wichtig?

Die Qualität der Lernunterstützung umfasst drei Bereiche: Konzeptentwicklung, Feedbackqualität und Sprachbildung. Hohe Werte im Bereich der Konzeptentwicklung werden durch pädagogische Fachkräfte erreicht, die höhere Denkprozesse anregen, unter anderem durch Fragen, die das Konzeptverständnis fördern (z.B. „Was ist der Unterschied zwischen einem Menschen und einer Katze?“). Pädagogische Fachkräfte erhalten im Bereich der Feedbackqualität hohe Werte, wenn sie den Wissensschatz der Kinder durch informative Rückmeldungen anregen oder erweitern (z.B. „Ja, der Mensch hat im Gegensatz zur Katze nur zwei Beine. Gibt es noch mehr Unterschiede? Unterscheidet sich z.B. die Haut?“). Rückmeldungen ohne weiteren Informationsgehalt (z.B. „das stimmt“) fließen nicht positiv in die Bewertung der Feedbackqualität ein. Zuletzt ist die Sprachbildung zu nennen. Hohe Werte in diesem Bereich werden durch pädagogische Fachkräfte erreicht, die Kindern helfen, komplexere Sprachkenntnisse zu erwerben. Das wird unter anderem erzielt, indem Kinder ermutigt werden, ihre eigenen Gedanken auszudrücken oder indem ihnen neue Vokabeln auf eine einfache Weise erklärt werden. Alle drei Bereiche der Lernunterstützung erfassen komplexe sprachliche Interaktionen. Die durchschnittlich beobachtete Qualität der Sprachbildung (M = 2,83) fällt im Vergleich zur Konzeptentwicklung (M = 1,81) und Feedbackqualität (M = 2,48) am höchsten aus.

Fazit der Autor*innen der Studie:

  • Die Ergebnisse unserer Studie legen nahe, dass die Qualität der Lernunterstützung für mehrsprachige Kinder sogar noch effektiver ist als ein früher Eintritt in die Kita.
  • Für die Praxis bedeutet dies, dass Fortbildungen, die pädagogischen Fachkräften helfen, durch sprachliche Interaktionen höhere Denkprozesse anzuregen, Feedback effektiv für den Lernprozess zu nutzen und die Entwicklung komplexerer Sprachkenntnisse zu unterstützen, ein großes Potential für die Entwicklung der Grammatikkenntnisse mehrsprachig aufwachsender Kinder bergen.

Referenz:

  • Bihler, L.-M., Agache, A., Schneller, K., Willard, J.A. & Leyendecker, B. (2018).
    Expressive morphological skills of dual language learning and monolinigual German children: Exploring links to duration of preschool attendance, classroom quality, and classroom composition. Frontiers in Psychology, Developmental Psychology.
    https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2018.00888/full

Sprache ist der Schlüssel zur Welt – müssen Eltern sich Sorgen machen, wenn ihre Kinder eine Kitagruppe mit einem hohen Anteil zugewanderter Kinder besuchen? Diese Frage stellen sich sowohl Familien mit deutscher als auch mit einer anderen Muttersprache. Intuitiv neigt man vielleicht dazu, einen hohen Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache als potenzielles Hindernis für den deutschen Spracherwerb anzusehen – aber stimmt das und lässt sich das auch wissenschaftlich nachweisen?
In der Arbeitsgruppe Child and Family Research/ Familienforschung (CFR) haben wir diese höchst relevante Frage mit zwei unterschiedlichen Stichproben untersucht – der NUBBEK Stichprobe sowie der SEIKA-NRW Stichprobe.

A. Ergebnisse der NUBBEK Studie (Querschnitt)

In der NUBBEK Stichprobe waren 363 Kinder im Alter von 2,5 Jahren, von denen 93 Kinder in zugewanderten Familien mit einer anderen Muttersprache aufwuchsen. Diese Kinder besuchten 197 unterschiedliche Kitagruppen. Von allen Kitagruppen war jeweils bekannt, wie viele Kinder in den Gruppen zu Hause Deutsch sprachen (einsprachig aufwachsende Kinder) oder eine andere Familiensprache hatten (mehrsprachig aufwachsende Kinder).

Zusammensetzung der Gruppe: Kein Zusammenhang

Wie zu erwarten waren die deutschen Sprachkompetenzen der mehrsprachigen Kinder geringer als die der einsprachigen Kinder, denn erstere befanden sich mit 2,5 Jahren häufig erst am Beginn des Deutscherwerbs. Einsprachige Kinder erzielten im Mittel 1 Standardabweichung (SD) höhere Werte. Unterschiede hingen aber nicht von der Prozentzahl der ein- oder mehrsprachig aufwachsenden Kinder in den Gruppen ab. Das bedeutet, dass Deutschkompetenzen der noch recht jungen Kinder nicht davon beeinflusst schienen, wie viele Kinder in ihrer Kita zu Hause Deutsch oder eine andere Sprache sprachen.

Aber: Zusammenhang mit Betreuungsqualität

Die Betreuungsqualität variierte – Kitagruppen mit einer höheren Betreuungsqualität hatten einen besseren Betreuer-Kind Schlüssel und hier wurden vergleichsweise weniger mehrsprachig aufwachsende Kinder betreut. Für die mehrsprachig aufwachsenden Kinder ist jedoch eine hohe Betreuungsqualität entscheidend; sie erreichten höhere Testwerte (nur ca. 0,5 SD niedriger als einsprachige Kinder), wenn sie Kitagruppen mit einer sehr guten, anregenden Betreuungsqualität besuchten. Die mehrsprachigen Kinder hingegen, die eine Kita mit sehr niedriger Betreuungsqualität besuchten, erreichten deutlich nach unten abweichende Testwerte (1,5 SD niedriger als einsprachige Kinder).

Fazit der Autor*innen der Studie:

  • Nicht die Gruppenzusammensetzung, sondern die Betreuungsqualität ist entscheidend.
  • Eine niedrige Betreuungsqualität wirkt sich für zugewanderte Kinder besonders negativ aus.
    Unsere Ergebnisse zeigen, dass es sich lohnt, in eine hohe Betreuungsqualität zu investieren, denn diese hat das Potenzial, die Sprachkompetenzen mehrsprachiger Kinder deutlich zu verbessern.

Referenz:

  • Willard, J.A., Agache, A., & Leyendecker, B. (2019). Classroom composition, classroom quality and German language skills of very young dual language learners and German-only learners. Early Childhood Research Quarterly, 49, 269-281.
    https://doi.org/10.1016/j.ecresq.2019.07.004 

 

B. Ergebnisse aus der SEIKA-NRW Studie (Querschnitt)

Die Ergebnisse der NUBBEK Studie (Willard, Agache, & Leyendecker, 2019) konnten mit einer größeren, altersgemischten Stichprobe aus der SEIKA-NRW Studie weitgehend bestätigt und ergänzt werden. In der SEIKA- NRW Studie wurden die Sprachkompetenzen von 2.231 Kinder getestet. Von diesen wuchsen 1.555 nur mit deutscher Muttersprache auf, die anderen in zugewanderten Familien in denen kaum (n = 305) oder häufiger (n = 371) deutsch gesprochen wurde. Insgesamt waren 177 Kitagruppen aus 95 unterschiedlichen Kitas beteiligt. Die jüngsten Kinder waren 2,5 Jahre, die ältesten waren 6,5 Jahre alt.

Wenn Kinder zu Hause kaum Deutsch sprechen, ist eine hohe Betreuungsqualität in der Kita entscheidend

Anregende Betreuung ist vor allen Dingen für die Sprachentwicklung von Kindern, die zu Hause kein oder wenig Deutsch sprechen, entscheidend. Besuchten diese Kinder eine Gruppe mit hoher Betreuungsqualität, so erreichten sie im Mittel zufriedenstellende Sprachkenntnisse im Normbereich. Besuchten sie hingegen eine Gruppe mit niedriger Betreuungsqualität, so waren sie im Mittel deutlich unter dem Normbereich.

Kein Zusammenhang zwischen Gruppenzusammensetzung und deutschen Sprachkompetenzen der Kinder

Je mehr Kinder in einer Gruppe zu Hause eine andere Sprache als Deutsch sprechen, desto geringer fallen die Testergebnisse für die gesamte Gruppe aus. Aber auch hier wurde wieder festgestellt, dass dies keine Auswirkungen auf die Sprachkompetenzen einzelner Kinder hat. Der sprachliche Input durch die anderen Kinder in der Gruppe scheint von geringerer Bedeutung zu sein, während der sprachliche Input durch die pädagogischen Fachkräfte sehr gut nachweisbar ist.

Ein früher Start in die Kita führt zu höheren Sprachkompetenzen

Je früher Kinder in die Kita kamen, desto besser waren ihre Testergebnisse. Diese Effekte zeigten sich für alle Kinder, unabhängig von den zu Hause gesprochenen Sprachen, der Zusammensetzung der Gruppen oder dem Anregungsgehalt ihrer Betreuung. Erwartungsgemäß war dieser Effekt besonders deutlich bei den zugewanderten Kindern, die zu Hause kaum Deutsch sprachen. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass schon ein früher Start in die Kita Kindern vielfältige Möglichkeiten bietet, in unterschiedlichen Situationen mit unterschiedlichen Kindern und Erwachsenen zu interagieren und so den Wortschatz zu verbessern.

Fazit der Autor*innen der Studie:

  • Früher Start in die Kita fördert deutsche Sprachkompetenzen von Kindern mit anderer Familiensprache
  • Positive Resultate einer anregenden Betreuungsqualität zeigen sich deutlich bei mehrsprachigen Kindern, die zu Hause kein oder wenig Deutsch sprechen
  • Eine Verbesserung der Sprachkompetenzen von Kindern aus zugewanderten Familien kann also bis zum Eintritt in die Schule durch einen frühen Start in die Kita und durch eine anregende Förderung erreicht werden.

Referenz:

  • Kohl, K., Willard, J.A., Agache, A., Bihler, L.M., & Leyendecker, B. (2019). Classroom quality, classroom composition, and age at entry: Experiences in early childhood education and care and single und dual language learners‘ German vocabulary. AERA open. https://doi.org/10.1177/2332858419832513

 

C. Ergebnisse der SEIKA-NRW Studie (Längsschnitt)

Kohl, K., Bihler, L.-M., Agache, A., Leyendecker, B., & Willard, J. A. (2021) Do peers matter? Peer effects on young children’s vocabulary gains in German classrooms. Journal of Educational Psychology. DOI: 10.1037/edu0000522 

Für diesen Teil der Studie ist eine Veröffentlichung in Vorbereitung, die Ergebnisse wurden teilweise schon im Abschlussbericht SEIKA-NRW sowie auf Tagungen von Alexandru Agache vorgestellt. Alexandru Agache hat hierfür die sogenannten Netzwerkanalysen sowohl mit den Querschnitts- als auch mit den Längsschnittdaten eingesetzt. Außerdem hat er untersucht, ob und wie sich die Involviertheit der pädagogischen Fachkräfte über den Tag ändern, welche Kontexte zu mehr oder zu weniger Sprachanregung genutzt werden und ob es Merkmale der pädagogischen Fachkräfte gibt, die mit mehr oder mit weniger Sprachförderung im Zusammenhang stehen.
Die Ergebnisse der Analysen zeigen:

  • Pädagogische Fachkräfte mit höheren Werten in der Feinfühligkeit sowie in der Involviertheit in Interaktionen mit Kindern führen häufiger sprachfördernde Aktivitäten durch.
  • Manche Situationen – Essen, Draußenspiel – werden nur sehr selten als Gelegenheiten zur Förderung von Sprache und Lernen genutzt.
  • Über den Vormittag hin nimmt die Involviertheit der pädagogischen Fachkräfte ab.

Fazit der Autor*innen:

  • Wenn das Ziel, eine alltagsintegrierte Sprachförderung umzusetzen, erreicht werden soll, dann empfiehlt es sich, auch die unterschiedlichen Kontexte in den Blick zu nehmen und zu überlegen, wie Situationen – wie beispielsweise das gemeinsame Essen – hierfür genutzt werden können.
  • Fortbildungen sollten pädagogische Handlungsanweisungen vermitteln, wie kindliche Sprache angeregt und gefördert wird. Jedoch legen unsere Ergebnisse nahe, dass auch Feinfühligkeit und allgemeines Engagement (Involviertheit) der pädagogischen Fachkräfte gestärkt werden sollte, denn dies steht ebenfalls mit sprachfördernden Aktivitäten in Zusammenhang.

Referenz:

  • Agache, A., Bihler, L.-M., Kohl, K., Willard, J., & Leyendecker, B. (2018). Wie interagieren Merkmal der Interaktionsqualität (Class-Pre-K) untereinander? Einblicke in ein multikausales System aus Sicht der Netzwerkanalyse. Vortrag auf dem 51. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Frankfurt a.m., September 2018.
  • Eine Veröffentlichung für eine Fachzeitschrift ist in Vorbereitung.

Diese Arbeit ist bei einer Zeitschrift eingereicht und noch in Begutachtung bzw. Überarbeitung.

Fragestellung:

Kinder mit deutscher Muttersprache, die in bildungsnahen Familien aufwachsen, sind häufig in der deutschen Sprache sprachgewandter als Kinder aus bildungsfernen oder aus zugewanderten Familien. Gelingt es den Kitas, Kinder so zu fördern, dass auch diejenigen, die zu Hause kein oder wenig Deutsch sprechen oder die zu Hause weniger sprachliche Anregung bekommen, trotzdem ausreichende Sprachkenntnisse erwerben?

Methoden:

Diese Studie beruht auf den Längsschnittdaten der SEIKA Studie, die über drei Jahre hinweg erhoben wurden. Der umfangreiche Datensatz erlaubt, unterschiedliche Aspekte des Sprachstandes (Wortschatz, Grammatik), die Zusammensetzung der Kitagruppen (Prozentsatz zugewanderter Kinder und Kinder aus armutsgefährdeten Familien), den familiären Hintergrund (Bildung der Eltern, Familiensprachen) sowie unterschiedliche Aspekte der Betreuung zu berücksichtigten und vor allen Dingen den Einfluss und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Faktoren über drei Kitajahre hinweg nachzuvollziehen.

Ergebnisse:

  • Wir fanden deutliche Effekte des familiären Hintergrunds:
    • Im Alter von 2,5 Jahren fanden wir nur einen geringfügigen Unterschied im Hinblick auf Grammatik – Kinder aus gut gebildeten Familien erreichten etwas höhere Werte. Diese leichten Unterschiede blieben aber über die Kitazeit erhalten.
    • Beim Wortschatz zeigte sich der familiäre Einfluss sehr eindeutig: Während es hier am Anfang keinen Unterschied gab, so überholten die Kinder aus gut gebildeten Familien die anderen Kinder im Laufe der Zeit sehr deutlich.
  • Wir fanden aber auch deutliche Effekte einer guten Betreuungsqualität:
    • Wenn zugewanderte Kinder eine Kita mit einer guten Betreuungsqualität besuchten, führte dies im Laufe der Kitazeit zu besseren Grammatikkenntnissen und einem größeren Wortschatz. Hier konnten wir jeweils unterschiedliche Aspekte der Betreuungsqualität ausmachen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten einen positiven Einfluss ausübten. So ging beispielsweise ein schnellerer Anstieg des Wortschatzes insbesondere mit einer guten emotionalen Betreuung einher, ein früher und andauernder Vorteil in den Grammatikkenntnissen ging mit einer guten Lernunterstützung einher. Weiterhin zeigten sich frühe und zeitüberdauernde positive Auswirkungen auf den Wortschatz der Kinder, wenn sie Kitagruppen besuchten, die gut strukturiert waren.
    • Diese Effekte galten überwiegend nur für mehrsprachig aufwachsende Kinder, bei den deutschsprachig aufwachsenden Kindern waren weniger Effekte der Betreuungsqualität nachweisbar oder diese verloren über die Kitazeit an Einfluss.
  • Auch die Zusammensetzung der Kitagruppen kann einen Einfluss haben:
    • Ein potenzielles Risiko für den Erwerb der deutschen Sprache in den Kitajahren zeigte sich bei Grammatikkenntnissen:
      • wenn ein- oder mehrsprachig aufwachsende Kinder eine Kitagruppe mit einem hohen Prozentsatz armutsgefährdeter Kinder besuchten, waren ihre Grammatikkenntnisse im Alter von 6 Jahren vergleichsweise niedriger, sowie parallel
      • bei mehrsprachigen Kindern, wenn sie eine Gruppe mit einem hohen Prozentsatz ebenfalls zugewanderter Kinder besuchten.
    • Wortschatz: Wenn aber in Gruppen mit einem hohen Anteil armutsgefährdeter Kinder die Lernunterstützung durch die pädagogischen Fachkräfte hoch war, blieb ein früher Vorsprung im Wortschatz gegenüber den Kindern mit niedrigerer Lernunterstützung über die Jahre erhalten.
  • Zeitpunkt des Starts in die Kita:
    • Die Grammatikkenntnisse zugewanderter Kinder profitieren von einem frühen Start in die Kita
      • Dieser Effekt war für alle Kinder anfänglich in geringem Maße auch für den Wortschatz vorhanden (nur marginal signifikant).

 

Fazit der Autor*innen:

  • Insbesondere für Kinder, die mit einer anderen Muttersprache als Deutsch aufwachsen, kann der frühe Start in eine emotional unterstützende, anregende und gut strukturierte Kita den deutschen Spracherwerb wirksam unterstützen und somit eine wichtige Grundlage für den späteren Schulerfolg darstellen.
  • Dies bedeutet, dass Sprachförderung in Kitas nicht alleine auf eine reine Sprachanregung fokussiert sein sollte, sondern dass vielmehr berücksichtigt werden sollte, dass auch eine emotional warme Atmosphäre und eine gute Strukturierung der Kitagruppe einen wichtigen Beitrag zur Sprachförderung leisten. Dies bedeutet, dass eine positive Atmosphäre wichtig ist, da hierdurch gute Bedingungen für ein stressfreies Lernen geschaffen werden.
  • Kinder aus zugewanderten Familien sind für den Erwerb deutscher Sprachkompetenzen vergleichsweise mehr auf eine Kita mit guter Betreuungsqualität angewiesen als Kinder aus deutschsprachigen Familien.
  • Kinder, die eine Kitagruppe mit vielen armutsgefährdeten Kindern besuchen, brauchen eine besonders gute Betreuung damit ihnen hieraus kein (sprachlicher) Nachteil erwächst.

 

Referenz:

  • Willard, J.A., Agache, A. et al., in Begutachtung bei einer Fachzeitschrift.

 

Die bisherigen Ergebnisse der SEIKA-NRW Studie zeigen – insbesondere für den deutschen Wortschatz und die Grammatikkenntnisse mehrsprachig aufwachsender Kinder – den hohen Stellenwert einer qualitativ guten Betreuung auf.
Darüber hinaus waren wir interessiert zu untersuchen, woran es liegen könnte, dass – unabhängig von der Betreuungsqualität – einige Kinder leichter neue Wörter lernen als andere Kinder. Eine bekannte und jahrzehntealte Theorie hierzu besagt, dass für das Erlernen neuer Wörter entscheidend ist, wie gut Kinder sich unbekannte Lautkombinationen merken können. Um dies zu überprüfen, haben wir Kindern eine Fantasiefigur gezeigt und als deren Namen ein Kunstwort (Pseudowort) angegeben. Die Figur wurde anschließend versteckt, und die Kinder sollten sie mit dem Namen, den sie gerade gehört haben, rufen. Dies wurde mit 18 unterschiedlichen Figuren und unterschiedlichen Namen durchgeführt. In Übereinstimmung mit vielen anderen Studien gab es einen Zusammenhang zwischen der Fähigkeit von Kindern, neue Wörter zu wiederholen und ihrem Wortschatz. Ein bloßer Zusammenhang ist aber noch keine Bestätigung für die Theorie. Wir wollten daher noch etwas genauer hinsehen und herausfinden, ob bei einzelnen Kindern die Fähigkeit, sich ein Kunstwort zu merken, Veränderungen im Wortschatz ein Jahr später vorhersagen kann. Und umgekehrt, wenn ein Kind einen guten Wortschatz hat, kann es sich dann auch ein Jahr später besser Pseudowörter merken? Mit aufwendigen Analysen konnte das nicht bestätigt werden. Die jahrzehntealte Theorie, dass die Merkfähigkeit für unbekannte Lautkombinationen für das Lernen neuer Wörter entscheidend ist, konnten wir also nicht bestätigen. Die Suche nach den für das Wortlernen zentralen Fähigkeiten geht also weiter.

Referenz:

  • *Willard, J. A., *Agache, A., Kohl, K., Bihler, L.-M., & Leyendecker (2021). Longitudinal interrelations between nonword repetition and vocabulary from age three to five: Evidence for within-child processes? Developmental Psychology. https://dx.doi.org/10.1037/dev0001230 *shared first authorship

Wie gut können pädagogische Fachkräfte in der Kita einschätzen, ob Kinder noch zusätzliche Sprachförderung brauchen? Wird ihr Urteil durch besondere Merkmale der Kinder beeinflusst?

Wir haben hierfür 645 Kinder aus 203 unterschiedlichen Kitagruppen untersucht und die Einschätzung der pädagogischen Fachkräfte mit den Ergebnissen von zwei standardisierten Sprachtests verglichen.

  • Die Einschätzungen, dass ein Kind KEINE Sprachförderung braucht, war deutlich besser als die Identifizierung der Kinder, die eine Sprachförderung gebraucht hätten.
  • Bei jedem zweiten Kind, dass eine Sprachförderung gebraucht hätte, wurde dies übersehen.
  • Bei Kindern aus armutsgefährdeten Familien wurde hingegen öfters fälschlicherweise die Notwendigkeit einer Sprachförderung diagnostiziert als bei Kindern aus vergleichsweise wohlhabenderen Familien.
  • Dies deutet darauf hin, dass die Diagnostik der sprachlichen Kompetenzen nur eingeschränkt von pädagogischen Fachkräften geleistet werden kann und dass es hier professioneller Unterstützung bedarf.

 

Referenz:

  • Bihler L-M. et al., in Begutachtung: The accuracy of teachers‘ judgements: Young children’s need of language support is often overlooked.

 

 

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